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Der langsame Tod der Lebensversicherung

10Deutschland ist das Land der Lebensversicherungen: Mit knapp 92 Millionen abgeschlossenen Verträgen gibt es hierzulande mehr Policen als Einwohner. Damit sind die Deutschen insgesamt in Höhe von 2,73 Billionen Euro (Stand Ende 2012) versichert.
Doch die Beliebtheit der Lebensversicherung bröckelt. Die Zahl der neu abgeschlossenen Verträge sank von 10,13 Millionen im Jahr 2002 auf rund sechs Millionen im Jahr 2012, wie aus einer im Bundestag veröffentlichten Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht.
Die Versicherungssumme des Neugeschäfts stieg in diesem Zeitraum zwar von knapp 220 Milliarden Euro 2002 auf 242 Milliarden Euro 2012, Grund für diesen Zuwachs dürfte aber vor allem das anziehende Geschäft mit Einmalbeiträgen sein.
Der Gesetzgeber bringt derzeit ein Rettungspaket für die Branche auf den Weg. Die neuen Regeln, mit denen die unter den Niedrigzinsen leidenden Lebensversicherer stabilisiert werden sollen, könnten noch im Juli in Kraft treten. Ende dieser Woche soll der Bundestag endgültig abstimmen, am Freitag nächster Woche (11. Juli) dann der Bundesrat. Am Montag beschäftigte sich der Finanzausschuss mit dem Gesetzentwurf.

Das Konzept der Lebensversicherer ist so einfach wie lukrativ: Sie garantierten eine Mindestverzinsung, die höher liegt als die Inflation. Die Beiträge ihrer Kunden legen sie mit noch höherer Rendite an den Märkten an. An der Differenz beteiligen sie zwar ihre Kunden, doch verdienen vor allem sie selbst prächtig daran – bisher.
RENDITEN DER FESTVERZINSLICHEN SINKEN

Denn nun drohen ausgerechnet die Überlebenshilfen der Europäischen Zentralbank in der Finanzkrise zum Schlussakt der Erfolgsgeschichte zu werden. Versicherer investieren ihr Geld vor allem in festverzinsliche Wertpapiere wie Pfandbriefe und Anleihen von Staaten und Unternehmen.
Wegen der niedrigen Leitzinsen und der Flucht in sichere Werte sinken die Renditen dieser Papiere. So lag 2012 die Reinverzinsung aus Kapitalanlagen bei der Allianz Leben bei 4,9 Prozent, 2003 waren es noch 6,5 Prozent. Bei der Debeka fiel diese im gleichen Zeitraum von 6,1 auf 4,8 Prozent. Das macht es für die Anbieter schwerer, die ihren Kunden einmal gemachten Zusagen einzuhalten.
In ihrer Not hat die Branche die Politik um Hilfe angefleht. Und die hat auch ein Rettungspaket geschnürt: Der Garantiezins für Neuverträge soll ab 2015 von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent gesenkt werden.
Darüber hinaus soll unter bestimmten Umständen die Ausschüttung von Bewertungsreserven für festverzinsliche Wertpapiere wie etwa Staatsanleihen begrenzt werden, wenn eine Versicherung ihre Garantiezusagen an die übrigen Versicherten nicht einhalten kann.
DIE BEWERTUNGSRESERVEN STEHEN AUF DEM SPIEL

An Bewertungsreserven, die aus Immobilien und Aktien resultieren, sollen Versicherte aber weiter beteiligt werden. Bewertungsreserven entstehen dadurch, dass der Marktwert eines Wertpapiers, das mit Kundenprämien gekauft wurde, über dem ursprünglichen Kaufpreis liegt. Sie müssen derzeit bei Vertragsende zur Hälfte an die Versicherten ausgezahlt werden.
Bundesbank und Verbraucherschützer lobten die Reform. Die geplante Änderungen könnten die Stabilität der Lebensversicherer deutlich stärken, heißt es in einer Stellungnahme der Bundesbank. Während nach einer Untersuchung der Bundesbank unter aktuellen Bedingungen 32 der 96 deutschen Versicherungsgesellschaften das Jahr 2023 nicht mehr solvent erleben dürften, werde sich diese Zahl durch das Rettungspaket deutlich reduzieren: Noch 13 Gesellschaften wären dann gefährdet. „Auf den Marktanteil bezogen seien das 17 Prozent – im Vergleich zu bislang 44 Prozent gefährdeter Unternehmen“, sagte ein Vertreter der Bundesbank bei der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Bundestags.
Die Probleme der Branche könnten bei lang anhaltenden Niedrigzinsen aber nicht allein durch die geplanten Schritte dauerhaft gelöst werden, schreibt die Bundesbank: „Insbesondere müssen die Lebensversicherer selbst einen Beitrag leisten, indem sie ihre Eigenmittelpolster stärken und ein breites Produktangebot vorhalten.“
VERBRAUCHERSCHÜTZER FORDERN EINEN SYSTEMWECHSEL

Verbraucherschützer monieren allerdings die kurze Gesetzgebungsfrist und fordern weitergehende Korrekturen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum von den üblichen Fristen im Gesetzgebungsverfahren in diesem Fall so erheblich abgewichen werde.
Das Problem sei schon länger bekannt, größere Änderungen in nächster Zeit nicht zu befürchten. Perspektivisch sei ein Systemwechsel nötig. In einigen Punkten müsse der vorliegende Entwurf noch nachgebessert werden.
Erneute Kritik kommt von den Lebensversicherern – ihnen behagt ihr Rettungspaket nicht. Sie wehren sich unter anderem gegen die Ausschüttungssperre, die Offenlegung von Provisionen sowie eine stärkere Beteiligung von Kunden an Risikoüberschüssen.
Obwohl Branchenvertreter noch vor Kurzem um Hilfe riefen, behauptet sie nun, gar nicht so schlecht dazustehen. Sie betonen: Seit Einführung der Rentenreformen 2001 sei die Gesamtzahl der bei der deutschen Versicherungswirtschaft abgeschlossenen Rentenversicherungen immerhin auf 39,8 Millionen Verträge gestiegen.

RENTENVERSICHERUNGEN HABEN ZUGELEGT

Zum Vergleich: Noch im Jahr 2000 lag die Zahl der privaten Rentenversicherungen bei 9,9 Millionen Stück. Ende 2012 waren es noch 39 Millionen Verträge. „30 Millionen zusätzliche Rentenverträge seit der Riester-Reform beweisen, dass die Menschen verstanden haben, dass private Vorsorge absolut notwendig ist“, sagte ein Sprecher des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft.
Allerdings fielen die Einmalbeiträge erneut hoch aus; mit einem Plus von 14,2 Prozent zum Vorjahr lagen sie bei 25,7 Milliarden Euro. Dagegen gingen die laufenden Beiträge im Neugeschäft um 13,1 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro zurück. Rund 75 Prozent der Einmalbeiträge flossen in Rentenversicherungen.
Was der Lobbyverband auch verschweigt: Die Bedeutung der klassischen Ka­pi­tal­le­bens­ver­si­che­rung ist in den vergangenen 16 Jahren dramatisch geschrumpft. Betrug deren Anteil im Neugeschäft 1998 noch 30 Prozent, waren es 2012 noch 2,6 Prozent. Die Risiko­lebens­ver­si­che­rung legte dagegen leicht zu – von 23 auf 26 Prozent zu.
Erfreulich ist für die Versicherungsbranche zudem: Die Stornoquote weist mit 3,32 Prozent den niedrigsten Wert seit über 20 Jahren auf.
Quelle: www.welt.de

 

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